Georg Agricla, ein Arzt, 1494 bis 1555, schreibt in seinem
zweiten Buch Vom Berg- und Hüttenwesen über das Auffinden von
Erzgängen und über die Wünschelrute:
«Ferner achten wir
beim Aufsuchen von Gängen auch den Reif, von dem alle
Gräser weiß werden mit Ausnahme der über Gängen
wachsenden. Denn die
Gänge strömen Wärme und Trockenheit aus, die das
Bereifen des feuchten
Grases verhindern, und daher sind solche Gräser mehr feucht vom
Wasser
als weiß vom Reif. Dies kann man an allen kalten Orten
wahrnehmen,
bevor die Gräser ihre volle Größe erlangt haben, also
in den Monaten
April und Mai, oder nachdem das Grummet gemäht ist, also im
September.
Wo daher feuchte Gräser sich nicht mit Reif überziehen, da
befindet
sich ein Gang unter dem Rasen; und wenn dieser sehr viel Wärme
ausströmt, so sind die Gräser klein und von nicht frischer
Farbe.
Schließlich muß man auf die Bäume achten, deren
Blätter im Frühling
bläulich oder bleifarben sind, deren Zweigspitzen vornehmlich
schwärzlich oder sonst unnatürlich gefärbt sind, deren
Stamm- und
Astholz schwarz oder bunt ist. Diese Erscheinungen werden durch sehr
warme und trockene Ausströmungen hervorgerufen. Auch die Wurzeln
werden
von ihnen nicht verschont, sondern ausgedörrt und stark
angegriffen;
daher vernichtet der Wind solche Bäume häufiger als andere.
Die in
einer langen Reihe zu ungewöhnlicher Zeit ihre Frische verlieren
und
schwarz oder bunt werden, auch durch den Sturm zu Fall gebracht werden,
da ist ein Gang verborgen. Es wächst auch auf einer Linie, in der
sich
ein Gang erstreckt, ein gewisses Kraut oder eine gewisse Pilzart; sie
fehlen über den Zwischenmitteln und manchmal auch über
anderen sehr
nahe gelegenen Gängen. Dies sind die Hilfsmittel der Natur, durch
die
Gänge gefunden werden können.
Über die Wünschelrute bestehen unter den Bergleuten viele und
große
Meinungsverschiedenheiten, denn die einen sagen, sie sei ihnen beim
Aufsuchen der Gänge von größtem Nutzen gewesen, andere
verneinen es.
Von denen, die den Gebrauch der Wünschelrute gutheißen,
nehmen einige
eine Gabel von Haselstrauch, die sie für geeigneter als andere
halten,
besonders wenn der Haselstrauch über einem Gang gewachsen ist.
Andere
benutzen je nach dem Erz verschiedene Ruten, und zwar verwenden sie die
Ruten von Hasel für die Silbererzgänge, die der Esche
für Kupfererz,
die der Kiefer für Blei- und Zinnerz, von Eisen oder Stahl
gefertigte
für Gold. Sämtlich halten sie die Enden der Rute mit zu
Fäusten
geformten Händen, wobei die angepreßten Finger zum Himmel
sehen und die
Rute mit dem Ende, in dem die beiden Zinken zusammentreffen,
aufwärts
gerichtet wird. Nun schreiten sie hierhin und dorthin, kreuz und quer
durch die Gebirgsgegenden. Wie sie sagen, soll die Rute, sobald sie den
Fuß über einem Gang niedersetzen, sich sofort nach unten
drehen und
richten und ihnen dadurch den Gang anzeigen; sobald sie aber den
Fuß
zurückgesetzt und sich von dem Gang entfernt haben, soll die Rute
wieder unbeweglich bleiben. Nach ihrer Behauptung ist die Ursache
für
die Bewegung der Rute die den Gängen innewohnende Kraft, und diese
sei
bisweilen so groß, daß sie die Zweige der nahe bei den
Gängen
wachsenden Bäume zu sich herabbiege.
Die dagegen behaupten, daß die
Rute keinem frommen und ernsten Manne nützen könne, lehnen
die Kraft
der Gänge als Ursache des Ausschlagens ab, weil die Rute sich
nicht bei
allen zu bewegen pflege, sondern nur bei denen, die sie mit
Zauberformeln oder schlauen Kunstgriffen benutzen. Außerdem
bestreiten
sie, daß die Kraft der Gänge die Zweige der Bäume
herabziehe, vielmehr
sagen sie, daß die warme und trockene Ausströmung der
Gänge dies
bewirke. Die Anhänger der Rute entgegnen hierauf, daß die
Kraft der
Gänge die Rute in den Händen gewisser Bergleute oder
sonstiger Menschen
nicht zum Ausschlagen bringe, beruhe in einer gewissen
persönlichen
Eigentümlichkeit dieser Leute, die die Kraft der Gänge hemme
oder
aufhebe. Denn die Kraft der Gänge lasse die Rute ausschlagen, so
wie
der Magnet Eisen anzieht, und jene verborgene Eigentümlichkeit
etlicher
Menschen lähme und breche die Kraft der Gänge, so wie der
Knoblauch die
Kräfte des Magnets schwächt und aufhebt; denn ein mit
Knoblauchsaft
bestrichener Magnet zieht Eisen nicht an, auch nicht das rostige.
Außerdem ermahnen sie uns betreffs der Wünschelrute, die
Finger nicht
leicht zusammenzulegen, auch nicht heftig zusammenzupressen. Denn bei
zu leichtem Anfassen sinke die Rute herab, bevor die Kraft der
Gänge
sie drehe, und bei zu festem Zufassen leiste die Kraft der Hände
der
Kraft der Gänge Widerstand und überwinde sie.
Nach ihrer Ansicht trägt
daher fünferlei dazu bei, daß die Rute ihre Aufgabe
erfüllt. Erstens
die Größe der Rute, denn die Kraft der Gänge ist nicht
imstande, eine
zu große Rute zum Ausschlagen zu bringen; zweitens die Form der
Rute,
denn wenn sie nicht gegabelt ist, kann die Kraft nicht auf sie wirken;
drittens die den Gängen innewohnende Kraft, die die
natürlichen
Eigenschaft hat, die Rute zu drehen; viertens die Handhabung der Rute
und fünftens das Fehlen der dem Benutzer innewohnende Veranlagung,
die
Kraft der Gänge aufzuheben. Aus all diesem pflegen sie zu
schließen,
daß die Rute nicht bei allen Leuten ausschlägt, werde durch
ihre
ungeschickte Handhabung oder durch die die Kraft der Gänge
aufhebende
Veranlagung des Benutzers veranlaßt, wie wir es bereits dargelegt
haben. Und die Rutengänger hätten es nicht nötig,
Zaubersprüche
anzuwenden, sondern es genüge die richtige Handhabung der Rute und
das
Freisein von entgegenwirkender menschlicher Veranlagung. Die Rute
könne
daher einem frommen und ernsten Manne beim Aufsuchen der Gänge von
Nutzen sein. Betreffs der herabgezogenen Zweige der Bäume sagen
sie
weiter nichts, sondern beharren bei ihrer Meinung.
Da die Sache aber strittig ist, und vielerlei Meinungsverschiedenheit
unter den Bergleuten erregt, so meine ich, daß sie nach ihren
eigenen
Eindrücken beurteilt werden muß. Der Zauberstab, mit dem die
Zauberer
genau wie mit Ringen, Spiegeln und Kristallen Gänge aufsuchen,
kann
zwar die Form einer Gabel haben, doch ist es von keinerlei Bedeutung,
ob er gerade oder nach irgendeiner anderen Figur geformt ist. Dann
nicht in der Gestalt der Rute steckt der Einfluß, sondern in den
Zaubersprüchen der Lieder, die ich nicht wiedergeben darf noch
mag. Die
Alten haben aber mit dem Zauberstab nicht nur Lebenbedürfnisse zu
befriedigen gesucht, sondern auch die Gestalt von Dingen gewandelt. So
haben ägyptische Zauberer Stöcke in Schlangen verwandelt, wie
die
Schriften der Juden erzählen. Und bei Homer verwandelt Minerva den
Geist Odysseus mit dem Zauberstab plötzlich in einen Jüngling
und dann
wieder in einen Greis; Circe ferner verwandelt die Gefährten des
Odysseus in wilde Tiere und gibt ihnen dann ihrer menschliche Gestalt
wieder. Merkur hat mit seinem Heroldstab Wachende eingeschläfert
und
Schlafende geweckt.
So scheint die Rute erstmals durch das unsaubere
Gebahren von Zauberern in den Bergbau gelangt zu sein; dann als fromme
Männer sich von den Zaubersprüchen abwandten und sie
verwarfen, wurde
die Rute von dem einfachen Volk der Bergleute zurückbehalten, und
die
Spuren des alten Gebrauchs blieben beim Aufsuchen der Gänge
erhalten.
Da aber die Wünschelruten ausschlagen, obgleich die Bergleute im
allgemeinen keine Zaubersprüche dazu sprechen, so sehen die einen
als
wesentlich für ihre Bewegung die Kraft der Gänge, die andern
die
Handhabung der Rute und wieder andere dies beides an. Aber alle Dinge,
die mit der Kraft der Anziehung ausgestattet sind, drehen die
Gegenstände nicht im Bogen, sondern ziehen sie auf sich zu; zum
Beispiel dreht der Magnet nicht das Eisen, sondern zieht es geradeswegs
an sich heran. Und wird der Bernstein durch Reiben erwärmt, so
wendet
er Strohhalme nicht um, sondern zieht sie einfach an sich heran. In
gleicher Weise würde die Kraft der Gänge, wenn sie mit dem
Magnet oder
dem Bernstein gleiche Natur hätte, die Rute nicht sooft drehen,
sondern
nur ein einziges Mal über den Raum eines Halbkreises gedreht
geradeswegs auf sich zu richten und ferner, wenn nicht das feste
Zufassen des Rutengängers dieser Kraft der Gänge selbst
Widerstand
leisten würde, die Rute zur Erde ziehen. Wenn dies nicht
geschieht, so
ergibt sich notgedrungen, daß die Handhabung die Ursache für
die
Bewegung der Rute ist. Dies ist auch aus folgendem ersichtlich; jene
schlauen Benutzer nehmen nicht eine stabförmige, sondern eine
gegabelte
Rute, und zwar vom Haselbusch oder einem anderen ebenso biegsamen Holz,
so daß die Rute, wenn sie nach der bei ihnen gebräuchlichen
Art
gehalten wird, bei einem jeden Menschen, einerlei an welchem Ort er
steht, sich im Kreise dreht.
Und es ist nicht erstaunlich, wenn die
Rute sich nicht dreht, sobald unerfahrene sie halten; denn sie fassen
ihre Enden zu fest oder zu locker. Der einfache Bergmann glaubt deshalb
an die Brauchbarkeit der Wünschelrute, weil die Rutengänger
manchmal
Gänge durch Zufall finden. Aber viel öfter wenden sie die
Mühe
vergeblich auf und würden, wenn sie, in der Annahme, Gänge
finden zu
können, Schürfgräben zögen, ebenso mürbe
gemacht, wie die Gewerken
schlechter Kuxe. Der wahre Bergmann benutzt, da wir wollen, daß
er ein
frommer und ernsthafter Mann ist, den Zauberstab nicht, und da er
ferner der Natur der Dinge kundig und verständig sein soll, sieht
er
ein, daß ihm die Wünschelrute nichts nutzen kann, sondern er
beachtet,
wie ich oben ausgeführt habe, die natürlichen Kennzeichen der
Gänge.»
( zweites Buch, S. 30-33, Übersetzung von Carl Schiffner, DTV,
dritte Auflage 1961)
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Abb. 01: Agricola:
Wünschelrute
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Abb. 02: Agricola:
Wünschelrute |
Zitat aus H.D. Langer(2)
«Die Treffsicherheit beim Aufsuchen der „sylbergänge“ muss
damals
trotzdem ziemlich hoch gewesen sein. Niemals hätte man es sich
nämlich
leisten können, die überdeckende Erde eines wie auch immer
ausfindig
gemachten Bergbaufeldes großflächig abzutragen, um an das
Erz in den
fündigen Klüften des felsigen Gebirges heranzukommen.
Irgendwer muss ja
die Anweisung gegeben haben, genau an der richtigen Stelle mit
Spitzhacke und Spaten anzusetzen, um punktgenau bereits aus ca. 1 m
Tiefe Silber (und übrigens nicht unbedingt andere Erze)
fördern zu
können. Agricola überlieferte uns überzeugend, dass dies
weltweit in
Jahrtausenden der Geschichte und im Erzgebirge mindestens seit 500
Jahren exakt so stattgefunden hat. Insbesondere sein erstes Bild im
oben genannten Buch, siehe Bild 1, liefert einen zweifelsfreien Beleg
dafür: Es waren die Wünschelrutengänger! »
Ende Zitat
Zitat aus H.D. Langer(2)
«Das Buch “De re metallica XII libres“ schrieb Agricola in seiner
bewegten Chemnitzer Zeit, und es kam im Jahr 1546 in lateinischer
Sprache heraus. Seither gibt es mehrere Übersetzungen ins
Deutsche. Die
früheste geschah bereits wenige Jahre später / 8 /, zu einer
Zeit
nämlich, da Agricola als Fremdling des gewählten Metiers noch
unter
harscher Kritik aus damaligen Fachkreisen stand. Bei Übersetzungen
ist
zudem immer ein bestimmter inhaltlicher Spielraum gegeben, wie auch
Martin Luthers Umgang mit der Bibel beweist. Und es wundert nicht, wenn
bei beiden Vorgängen und ihren Nachfolgern gerade die Problematik
der
Wünschelrute immer wieder für Irritationen gesorgt hat. Die
Beweggründe
sind durchaus verschieden. Luther musste im Zusammenhang mit der
Wünschelrute den Teufel in Grenzen halten. Agricola erlebte
indessen
Fehlanzeigen der Bediener dieses Wunderinstrumentes, und die anfangs
noch zarten wissenschaftlichen Lehren mussten sich schließlich
auch
erst durchsetzen. Die Wünschelrute ist aber so alt wie die
Menschheit,
ganz gleich ob bei ihrem Gebrauch mythische Wünsche dahinter
standen,
Macht demonstriert wurde oder Bodenschätze aufzufinden waren. Es
macht
also kulturhistorisch keinen Sinn, z.B. der althochdeutschen
„Wunsciligerta“, dem Vogelstab von der Altsteinzeit bis zu Kaiser Otto
III., den Stäben des Moses oder des Hannibal, den unzweideutigen
Handinstrumenten der altägyptischen Götter und Pharaonen, dem
„Caduceus“ des griechischen Gottes Hermes, dem „Lituus“ der
römischen
Priester, dem Dreizack der altchinesischen Kaiser und der hethitischen
Götter oder den Schlangenstäben der voraztekischen Priester
die
Daseinsberechtigung als machtgebendes Zaubersymbol abzusprechen. Einen
umfassenden Überblick dazu gibt es jetzt in der oben genannten
Wünschelruten-Ausstellung.
Jenes historische bis prähistorische Vorfeld mag Verständnis
dafür
wecken, wenn G. Fraustadt und H. Prescher in ihrer Übersetzung aus
dem
Jahr 1974 / 1 / zu Agricolas thematischem Schlüsselsatz
„Die Wünschelrute kann also bei der Auffindung von Gängen
für einen frommen und ernsthaften Mann von Nutzen sein.“
ausdrücklich per Fußnote wie folgt kommentieren: „Diese
Stelle wurde in
den Ausgaben 1928 und später anders übersetzt, so daß
man den Eindruck
bekommt, daß diese Rede die Meinung der Rutengänger sei. Es
ist aber
aus dem Text ersichtlich, daß Agricola selbst der Meinung ist,
daß die
Wünschelrute ein teilweise brauchbares Instrument sein
kann.»
Ende Zitat