Friedrich Balck     > Sektkorken

 

Sektkorken

Das Experiment mit den fliegenden Sektkorken gehört zu einer Serie von anschaulichen Versuchen, die im Rahmen der Physikausbildung im Hörsaal gezeigt wurden und auch werden.

Eine einfache Fragestellung, die sich auf theoretischem Wege mit physikalischem Schulwissen lösen läßt, erfordert bei der experimentellen Umsetzung ein wenig experimentelles Geschick, da diese Versuche ja nicht in jedem Lehrbuch zu finden sind.

   http://www.biosensor-physik.de/biosensor/geschwindigkeit


     Nachtrag 2022 für einen Schraubverschluss einer Mineralwasserflasche
     http://www.biosensor-physik.de/biosensor/geschwindigkeit.htm#kapitel-02


Doch bei einiger experimenteller Erfahrung ist das Problem mit wenigen Griffen in die Trickkiste der Praktikums- und Vorlesungsgerätesammlung zu lösen.

Und gerade diese Tätigkeit ist eine der Aufgaben eines Physikers: Analysieren und möglichst einfach in die Praxis umsetzen.

Im Rahmen des immer mehr abnehmenden Verständnisses unserer Jugend an Physik
    - stark übertrieben ausgedrückt: "Ich habe Physik schon im Kindergarten abgewählt" -,
ist es ganz wichtig, auf das Zusammenwirkung von physikalischen Erkenntnissen und Erfahrungen in unserem Alltagsleben hinzuweisen.
Wenn wir als Industrienation in Zukunft überleben wollen, reicht es nicht aus, sich den Namen einer Internet-Suchmaschine einzuprägen, sondern wir brauchen Menschen, die gelernt haben, in Zusammenhängen zu denken.
Und gerade der Physikunterricht sollte hier eine Schnittstelle zwischen wissenschaftlich gesammelten Erfahrungen und dem Alltag schaffen.

Die in vielen Kindervorlesungen gesammelte Erfahrung hat gezeigt, daß man ausgewählte Physik-Kapitel auch ansprechend darstellen kann, ohne sich gleich in das Metier einer reißerischen Fernsehshow zu begeben.

Selbstverständlich ist der Kontakt mit den Medien dabei ganz wichtig. Und wie sich gezeigt hat, ist gerade dieses Thema für sehr viele Sender äußerst attraktiv. 

Die ermittelten Daten für die Geschwindigkeit sind exemplarisch, sie beziehen sich auf das hier verwendete Material und auf einen mittleren Druck von 3 bar.

In Extremfällen kann eine weitaus höhere Geschwindigkeit auftreten,
beispielsweise wenn die Flasche in der Sonne gelegen hat, geschüttelt wurde, und dann vielleicht 15 bar (= 50% vom Berstdruck des Glases) erreicht.
Der Druck ist dann so groß, daß schon beim leichten Öffnen der Drahtsicherung der Korken herausfliegen kann.

Die hier untersuchten Flaschen hatten einen Kunststoffkorken. Ob die traditionellen echten Korken eine andere Reibung und damit eine andere Geschwindigkeit aufweisen, wäre noch zu prüfen.

Auf jeden Fall ist der Umgang mit schlecht gekühlten Sektflaschen mit einem Risiko verbunden, bei denen Personen zu Schaden kommen können. Dies berichtete der Mediziner Dr. Karl Matheis, der zahlreiche Patienten mit Augenverletzungen erlebt hat.

Dr. Matheis hat sich um eine Lösung zur Entschärfung des Problems bemüht. Das Ergebnis ist heute als Serienprodukt im Handel.

«Zeichnungen der ersten Idee wurden von zwei Studenten von FH in Bingen angefertigt.
Mit diesen Zeichnungen ging ich zu Prof. Dipl. Ing. Mattil aus Pirmasens, der mir die ersten Prototypen in seiner Heimwerkstatt anfertigte.»




RTL-Sendung vom 16.12.2008
www.rtl-regional.de/player.php?id=4774

rtl-balck1-a_g.jpg
Abb. 01a: Reporter und Kameramann bei der Aufnahme, der Autor an der Korkenschießanlage
 (Ch. Ernst, TU Clausthal)
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Abb. 01b: Der Kameramann steht geschützt hinter einer Plexiglasscheibe genau in der Schußlinie des Sektkorkens. (FB)
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Abb. 02: Zeitungsartikel in den Lübecker Nachrichten.
       gemeint ist offensichtlich "Tempo des Verschusses"




Kommentar eines lieben ehemaligen Schulkameraden aus Lübeck,   
                 (im Stil eines Juristen, könnte Nachfolger von Loriot werden.......)

Lieber Friedrich,
die Ergebnisse Deiner mit unermüdlichen Forschungen verknüpften unerschrockenen Experimentierfreude sind offenbar um die Welt gegangen und haben nun auch die Stätte Deiner Geburt erreicht, wie der heutigen Nachricht der örtlichen Presse zu entnehmen ist. Obwohl sich nichts darüber in dem Zeitungsartikel findet, gehen wir selbstverständlich davon aus, dass Du die erforderliche Dokumentation der Versuche und deren wissenschaftliche Auswertung in einem Zeitfenster durchgeführt hast, das inkongruent zu der unten behandelten Nachbereitung der jeweiligen Versuchsreihen war.

Ungeachtet des gefundenen Ergebnisses und seiner theoretischen Bedeutung für die Praxis sowie seiner praktischen Relevanz für die Theorie finden wir beide die Frage ganz besonders spannend, wie Du der anfallenden Reste Deiner Forschungstätigkeit Herr geworden bist und werden wirst. Jedes einzelne Experiment  (und zur Absicherung der Verlässlichkeit der Ergebnisse sind, so denken wir uns, sehr viele Kontrollversuche erforderlich)  hinterlässt -  gewissermaßen als „Abfallprodukt“ -  eine nun in den Zustand der vollständigen Öffnung übergegangene Flasche Sekt. Der appetitlich perlende Inhalt, soweit er nicht den Tücken der Versuchsanordung als Opfer darzubringen war, muss selbstverständlich jeder nur denkbaren Form der Verschwendung entzogen werden. Die Konsequenz dieser Prämisse liegt auf der Hand:

Einem gewissenhaften Experimentator bleibt in einer solchen Lage, will er sich nicht der hemmungslosen Verschwendung schuldig machen, kaum etwas anderes übrig, als den nun leicht verderblich geworden Rückstand seines Forschungsgegenstandes zeitnah der bestimmungsgemäßen Verwendung zuzuführen. Auf diese Weise ist er gleichsam genötigt, der Wissenschaft ein schweres Opfer dadurch zu bringen, dass er ohne schuldhaftes Zögern die ordnungsgemäße Entsorgung in der Form der Vertilgung durch unmittelbare orale Einnahme der Flüssigkeit einleitet. Gerne würden wir Dir bei den weiter erforderlichen Versuchsreihen einen Teil dieser schweren Bürde abnehmen und Dich bei der Rückstandsvernichtung mit unseren bescheidenen Kräften unterstützen.

Das wird wohl auch erforderlich sei, denn aus der anliegenden Presseverlautbarung lässt sich die Existenz zahlreicher offen gebliebener Fragen unschwer erschließen. So ist trotz Deiner zu unterstellenden Sorgfalt bei der Anordnung und Durchführung der Versuchsreihen erkennbar nicht nur die Frage unbehandelt, welche Rolle etwa die Gestalt und das Gewicht des jeweiligen Korkens sowie das zu seiner Herstellung verwendete Material spielen, sondern darüber hinaus bleibt ebenso im Dunkeln, in welchem Verhältnis die erzielbaren Geschwindigkeitswerte zum Luftdruck und den Feuchtigkeitswerten der Umgebungsraumluft der jeweiligen Kneipe…  Entschuldigung, des Labors stehen. Ganz zu schweigen von allen weitläufigeren Bedingungen der Versuchsanordnung, wie beispielsweise der Mondphase oder der spezifischen Richtung der noch unentkorkten Flasche bezogen auf die Erdrotation (1).
Wir hoffen also, dass der TU Clausthal bewusst ist, dass die lückenlose Erforschung des Phänomens nicht ohne kostenaufwendige Exkursionen auch in entlegenere Teile des Globus geleistet werden kann. Wir stehen zu Deiner vollen Verfügung, denn wir haben ausreichend Durst und unsere Pässe bringen wir schnellstmöglich in Ordnung. Im Interesse der Forschung in der Hoffnung auf eine positive Nachricht grüßen Dich als angehende wissenschaftliche Entsorgungsspezialisten


herzlich    Benno


Fussnote:
(1) Da sich diese, wie Du weist, kontinuierlich abschwächt (im Einzelnen aber unerforscht. Dazu ein Gedanke: Sollte sich die Sektkorkengeschwindigkeit als universelle Konstante erweisen, wäre mit dieser Versuchsanordnung eventuell das genaue Maß eben der erwähnten Abnahme der Geschwindigkeit der Erdrotation ableitbar!!), ist eine gegen Unendlich tendierende Dauer der Experimentierphase schon allein unter diesem Aspekt der Versuchsanordnung abgesichert. Wir schlagen deshalb vor, dass Du die erforderlichen finanziellen Mittel in der Form einer als monatlich im Voraus zu entrichtende Rente ausgestalten lässt.




P. S.:    Selbst wenn sonst nichts aus dieser Angelegenheit herauskäme, hat der Zeitungsartikel jedenfalls dazu geführt, dass wir eine präzise Vorstellung darüber gewonnen haben, was von einer eventuellen Mitteilung Deinerseits zu halten sein würde, Du habest über die Festtage gearbeitet.
Na denn: Prost.




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